Montag, 1. Dezember 2014

In der Osakaer Puppenkiste



Am letzten Samstag war ich mit dem Literaturkurs der Uni im Bunraku, dem japanischen Puppenspiel, das in Osaka erfunden wurde. Ich wollte es schon immer einmal sehen, und da der Kurs vergünstigte Studentenplätze und noch ein paar freie Plätze hatte, habe ich mir die Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen. Vor allem auch schon deshalb, weil es für uns vorher eine Präsentation der Puppenspieler mit Erklärungen zu Bewegung und Bau der Puppe, aber auch Ausbildung etc. gab. Die Bunraku-Puppen sind nämlich komplett anders als unsere Handpuppen oder Marionetten: Sie sind ca. 1m groß, aufwändig gearbeitet und werden meist von drei Puppenspielern gelenkt, von denen der Jüngste und Rangniedrigste die Beine führt, der zweite den linken Arm und der Älteste/Ranghöchste den rechten Arm plus Kopf. Um von einem Rang in den nächsten zu kommen braucht es mindestens 15 Jahre Ausbildung! Bei gleichzeitig schlechter Bezahlung ist klar, dass der Beruf des Puppenspielers langsam ausstirbt...
Um den Rangunterschied zwischen den Puppenspielern zu verdeutlichen, ist nur der Älteste Spieler sichtbar, die anderen stehen meist geduckt, komplett schwarz gekleidet und tragen sogar eine Kappe, die nicht mal die Augen zeigt (die einzig mögliche Steigerung zur Burka ^-^ ), was ihr Erscheinen ganz schön seltsam macht. Weiterhin ist der Älteste durch extrem hohe Plateausandalen ofterhöht, aber das hat vor allem praktische Gründe für die Sichtbarkeit der Puppe auf der Bühne.

Leider war das Filmen und Fotografieren während der Vorstellung verboten, weshalb ich mich hier an Bildern aus dem Internet bedienen muss. Die Puppen und Kulissen waren sehr schön gestaltet, und es gibt zu jeder Szene einen anderen Rezitator (die Spieler selbst sprechen nicht) und einen Shamisen-Spieler (altes japanisches Seiteninstrument). Da die Rezitation der Geschichte mit einer sehr gewöhnungsbedürftigen Stimmlage und in historischem Japanisch aus der Edo-Zeit (ca. 1600-1868) durchgeführt wird, war ich froh, dass es einen englischsprachigen Audioguide dazu gab, der das Geschehen erklärt und kulturelle sowie gesellschaftliche Hintergrundinformationen geliefert hat. Für Westler ist nämlich auch der ideelle Hintergrund schwer verständlich. So musste z.B. eine geschiedene oder verwitwete Frau bei Neuheirat ihre Kinder aus der früheren Ehe komplett aufgeben, und in dem Stück gab es u.a. einen Monolog von einer Frau, die sich selbst für barbarisch & animalisch hielt, da sie ihrem Sohn aus erster Ehe half, anstatt ihn den Gesetzeshütern auszuliefern. Oder die betrogene Ehefrau, die der Geliebten ihres Mannes auf der Flucht Unterkunft gewährt, aber ihm nicht, und sich selbst die Schuld gibt, dass ihr Mann eine Kurtisane hat, weil sie nicht schön genug und zu langweilig sei...

Das Stück ging am Ende (= nach ca. 4 Stunden) doch noch gut aus, was relativ selten ist, denn normalerweise gibt es mindestens einen Ehren-, Liebessuizid oder beides. Es war insgesamt sehr interessant, aber ich glaube, ich schau mir erst noch ein paar andere traditionelle Theaterformen wie Nô oder Kabuki an...

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