| Nur ein Teil der 785 Stufen... |
Wir
waren mit unserem Zeitplan schon etwas hinterher, da man auf Landstraßen in
Japan generell nur 60 km/h, auf Autobahnen nur 100 km/h (und sogar dass nicht
immer) fahren darf, sodass wir nach einem kurzen Udonsuppen-Mittagessen erst um
ca. 15 Uhr zu unserem nächsten Halt aufbrechen konnten, dem Kompira-Tempel in
Kotohira mit seinen 785 Treppenstufen. Denn auf Shikoku gibt es 88 Tempel, die
zum dortigen berühmten Pilgerweg gehören. Unser Navi lotste uns durch
abenteuerlich enge Gassen, doch wir kamen schließlich noch vor Einbruch der
Dunkelheit an, fanden sogar einen Parkplatz ganz in der Nähe und machten uns an
den Aufstieg. Der Weg war gar nicht so beschwerlich, wie wir vermutet hatten,
da es sich nicht um eine einzige lange Treppe handelte, sondern um kleinere
Teiltreppen mit Zwischenebenen, auf denen es immer wieder kleinere Tempel,
Schreine etc. zu sehen gab, sodass man die 785 Stufen nicht an einem Stück
erklimmen musste. Als wir ganz oben ankamen, dämmerte es gerade, und wir hatten
sowohl einen tollen Ausblick auf die Umgebung als auch einen wunderschön
beleuchteten Tempel vor uns liegen.
| Das traditionelle Dogo-Onsen |
Nach
dem Abstieg im Dunkeln ging es noch ca. 150 km weiter nach Matsuyama, wo wir in
einem Hostel in der Nähe des berühmten Dogo-Onsens unterkamen. Da es schon fast
Mitternacht war, konnten wir uns zum Abendessen nur ein paar Snacks im Conbini
mitnehmen (und waren ziemlich froh, dass es diese 24 Stunden-Läden in Japan
gibt), bevor wir todmüde ins Bett fielen. Leider mussten wir zum Autoumparken
schon um 7 Uhr früh wieder aufstehen, sind dann aber zur Entspannung für eine
Stunde ins Dogo-Onsen. Ich war mittlerweile ja schon oft im Onsen und dachte
ich kenne die Regeln, aber die (hauptsächlich alten) Japanerinnen waren so
biestig zu uns, weil wir angeblich einiges falsch machten, dass wir eigentlich
froh waren, dass wir bald wieder gehen konnten. Das Bad war ganz anders als ich
es mir vorgestellt hatte; anstatt einer weitläufigen Anlage mit vielen
verschiedenen Becken innen und außen gab es ohne Super-Deluxe-Megateuer-Sonderticket
nur ein einziges kleines Becken, in dem man baden konnte. Das besondere an dem Bad
ist meines Wissens, dass es schon seit ca. 120 Jahren unverändert besteht und
das schwefelhaltige Wasser aus einer echten heißen Quelle verwendet wird, dem
besondere „Heilkräfte“ für die Gesundheit zugeschrieben werden.
| Die Matsuyama-Burg |
Nachdem
das berühmte Onsen abgeklappert war, wollten wir noch die ebenfalls berühmte
Burg von Matsuyama sehen, da diese zu den besterhaltensten und interessantesten
Schlössern Japans zählt. Nach gefühlt zweistündiger Parkplatzsuche und
Seilbahnfahrt gab es auch hier noch einen Aufstieg durch etliche Tore und
Verteidigungsringe, bevor wir der wirklich hübschen Burg gegenüberstanden. Auch
die Ausstellung im Inneren mit Samurairüstungen, Schwertern und Dokumenten war
sehr sehenswert, und in einem der Vorbauten konnten wir sogar eine echte
japanische Trommel („Taiko“) ausprobieren.
| It's Taiko time! |
Als
letzte Etappe unseres Ausflugs stand noch das Iya-Tal mit seinen Lianenbrücken
bevor, dass mitten im Wald mehr oder weniger außerhalb der Zivilisation liegt.
Nach etlichen Stunden Autofahrt und unzähligen einspurigen Serpentinen kamen
wir bei Einbruch der Dämmerung an der Kazura-Hängebrücke an, die natürlich
schon geschlossen war – was abenteuerlustige Austauschstudenten, die dafür
stundenlang durch den Wald gegurgt sind, aber nicht aufhält ^-^
Da
ich ziemliche Höhenangst habe war es wahrscheinlich gar nicht so schlecht, dass
ich in der einsetzenden Dunkelheit nicht mehr so genau gesehen habe, wie tief
13 m runtergehen... Eine Hängebrücke aus Lianen ist dann doch eine wacklige
Gelegenheit, es war allerdings gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt
hatte.
| Mutige Studentinnen auf der Hängebrücke |
Der
Heimweg gestaltete sich dann auch noch als echter Krimi: Als wir losfuhren
bemerkten wir plötzlich, dass es besser gewesen wäre, VOR dem Verlassen der
Zivilisation zu tanken – unser Tank war schon auf Reserve, und wir waren mitten
im Nirgendwo! Ich saß wirklich auf Kohlen, denn ich hatte am folgenden Tag um
10 Uhr früh meinen Progress Report im Labor zu halten und konnte es mir nicht
leisten, irgendwo im Wald von Shikoku hunderte Kilometer entfernt mit dem Auto
liegenzubleiben. Und dummerweise vertrug ich auf dem Rückweg die unendlichen
Serpentinen deutlich schlechter als auf dem Hinweg, sodass ich mich nur die
mehrmalige Erkenntnis, dass im Nirgendwo Tankstellen Sonntagabend um 19 Uhr natürlich
geschlossen sind, mit einem Adrenalinschub aus meinem Delirium zurückholen
konnte. Nach ca. 40 km (die unser tapferer kleiner Tank wie durch ein Wunder
durchhielt) kam dann endlich eine geöffnete Tankstelle, und wir jubelten wie
wild vor Erleichterung, dass wir es geschafft hatten. Der Rest der Heimfahrt
verlief dann zum Glück unspektakulär, wir schliefen die meisten Zeit und kamen
um kurz nach Mitternacht in unserem Wohnheim an – erschöpft, aber glücklich und
bereichert durch unserem 800 km-Wochenendausflug. Ende gut, alles gut.
| Die beleuchtete Kazura-Lianenbrücke bei Dämmerung |
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