Samstag, 21. März 2015

Pflaumenbaumschau



Momentan blüht die Pflaume in Osaka, die stets etwas früher dran ist und länger anhält als die deutlich berühmtere Kirschblüte. Daher war ich vor zwei Wochen mit meiner „Gastmutter“, eine Japanerin von meinem „Let’s Talk in Japanese“-Kurs im Bampakukinenkouen, einen riesigen Park bei mir in der Nähe. Dort gibt es unzählige verschiedene Arten von Pflaumenbäumen (die ich allerdings nicht auseinanderhalten kann), die in Weiß, Rosa und dunklem Pink blühen und alle schön auf zwei dafür angelegten Flächen gruppiert sind, was den Effekt deutlich vergrößert. Die Angewohnheit, nicht nur Blumen, sondern auch Bäume nach Sorten gruppiert zu pflanzen, ist meines Wissens in Japan sehr verbreitet und beschert während der Pflaumen- und Kirschblüte wunderschöne Blütenmeere – was wahrscheinlich genau der Zweck dahinter ist. Es war jedenfalls gutes Wetter und die Hölle los, was ich nicht erwartet hätte. In Deutschland bekommt man an einem Sonntagnachmittag sicher kaum jemanden vom Sofa, nur um sich einen blühenden Baum anzuschauen, aber die Japaner sind mit Begeisterung dabei. Da wird bestaunt, geschnuppert, 10.000 Fotos gemacht, die Picknickdecke ausgebreitet und der Kinderwagen durch die unzugänglichsten Passagen geschoben, um seinen Anteil an der blühenden Pracht zu haben. 

Was mich besonders fasziniert hat war, dass man die großen und hübschen Bäume auf der Hauptfläche kaum gerochen hat, aber die wenigen unspektakuläreren Exemplare in japanischen Garten schon von Weitem so geduftet haben, dass man hätte reinbeißen wollen. Wenn schon die weniger angesehene Pflaume so ein Erlebnis ist, kann ich die Kirschblüte gar nicht mehr abwarten – und hoffe, dass ich zur rechten Zeit am rechten Ort bin, denn ab morgen bin ich drei Wochen im Urlaub (also keine neuen Einträge in der Zeit) und verpasse wenn ich Pech habe die Kirschblüte in Osaka, da sie meist nur ca. eine Woche andauert. Es bleibt also spannend bei mir in Japan und ich melde mich mit vielen neuen Eindrücken hoffentlich gut erholt Mitte April wieder. 




Donnerstag, 12. März 2015

5 Mädels & 1 Auto -> Ab nach Shikoku!



Neulich war ich am Wochenende mit zwei weiteren deutschen Mädels, einer Finnin und einer Chinesin auf unserer Nachbarinsel Shikoku, da eine der deutschen schon nach diesem Semester heimgekehrt ist und noch unbedingt ein paar Sehenswürdigkeiten dort erkunden wollte. Ich war vorher auch noch nie auf Shikoku und habe die Gelegenheit daher gerne genutzt. Die Zugverbindungen auf Shikoku sind bei Weitem nicht so gut ausgebaut wie auf der Hauptinsel Honshu, also hatten wir beschlossen, uns einen Mietwagen zu nehmen, da die zweite Deutsche sich schon zu einer anderen Gelegenheit eine in Japan notwendige, offzielle Führerscheinübersetzung ausstellen lassen hatte. Also zogen wir am Samstagmorgen los, um unseren kleinen Mazda Demio abzuholen. Zu fünft reingequetscht ging die Reise auch gleich los, da wir es trotz unseres rein japanischen Navis geschafft haben, unseren ersten Stopp einzustellen. Über mehrere kleine Inseln ging es zuerst nach Naruto, einem Ort ganz an der Nord-Ost-Spitze Shikokus, wo ein weltweit sehr seltenes Naturphänomen auftritt: Durch große Höhenunterschiede und kanalartige Zerklüftungen im Meeresboden entstehen hier beim Wechsel der Gezeiten starke Strudel unterschiedlicher Größe, die man vor Ort entweder mit dem Boot oder durch Fenster und Glasboden des Besucherbereichs unter der Autobrücke besichtigen kann. Um die restliche Stunde bis zum Strudel-Zenit totzuschlagen, sind wir noch in das Strudel-Museum, wo zum Einen die Entstehung und Auswirkung des Phänomens (teilweise sogar auf Englisch!) erklärt wurde, zum Anderen alle möglichen anderen meeresbezogenen Themen aufgegriffen wurden: ein bisschen Flora & Fauna, andere Strudelorte, berühmte Brücken, Angelspiele... Als wir dann endlich die Strömungen sehen konnten, war ich fast ein bisschen enttäuscht, da ich sie mir deutlich größer und spektakulärer vorgestellt hatte.
Nur ein Teil der 785 Stufen...
Wir waren mit unserem Zeitplan schon etwas hinterher, da man auf Landstraßen in Japan generell nur 60 km/h, auf Autobahnen nur 100 km/h (und sogar dass nicht immer) fahren darf, sodass wir nach einem kurzen Udonsuppen-Mittagessen erst um ca. 15 Uhr zu unserem nächsten Halt aufbrechen konnten, dem Kompira-Tempel in Kotohira mit seinen 785 Treppenstufen. Denn auf Shikoku gibt es 88 Tempel, die zum dortigen berühmten Pilgerweg gehören. Unser Navi lotste uns durch abenteuerlich enge Gassen, doch wir kamen schließlich noch vor Einbruch der Dunkelheit an, fanden sogar einen Parkplatz ganz in der Nähe und machten uns an den Aufstieg. Der Weg war gar nicht so beschwerlich, wie wir vermutet hatten, da es sich nicht um eine einzige lange Treppe handelte, sondern um kleinere Teiltreppen mit Zwischenebenen, auf denen es immer wieder kleinere Tempel, Schreine etc. zu sehen gab, sodass man die 785 Stufen nicht an einem Stück erklimmen musste. Als wir ganz oben ankamen, dämmerte es gerade, und wir hatten sowohl einen tollen Ausblick auf die Umgebung als auch einen wunderschön beleuchteten Tempel vor uns liegen. 

Das traditionelle Dogo-Onsen

Nach dem Abstieg im Dunkeln ging es noch ca. 150 km weiter nach Matsuyama, wo wir in einem Hostel in der Nähe des berühmten Dogo-Onsens unterkamen. Da es schon fast Mitternacht war, konnten wir uns zum Abendessen nur ein paar Snacks im Conbini mitnehmen (und waren ziemlich froh, dass es diese 24 Stunden-Läden in Japan gibt), bevor wir todmüde ins Bett fielen. Leider mussten wir zum Autoumparken schon um 7 Uhr früh wieder aufstehen, sind dann aber zur Entspannung für eine Stunde ins Dogo-Onsen. Ich war mittlerweile ja schon oft im Onsen und dachte ich kenne die Regeln, aber die (hauptsächlich alten) Japanerinnen waren so biestig zu uns, weil wir angeblich einiges falsch machten, dass wir eigentlich froh waren, dass wir bald wieder gehen konnten. Das Bad war ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte; anstatt einer weitläufigen Anlage mit vielen verschiedenen Becken innen und außen gab es ohne Super-Deluxe-Megateuer-Sonderticket nur ein einziges kleines Becken, in dem man baden konnte. Das besondere an dem Bad ist meines Wissens, dass es schon seit ca. 120 Jahren unverändert besteht und das schwefelhaltige Wasser aus einer echten heißen Quelle verwendet wird, dem besondere „Heilkräfte“ für die Gesundheit zugeschrieben werden.
Die Matsuyama-Burg
Nachdem das berühmte Onsen abgeklappert war, wollten wir noch die ebenfalls berühmte Burg von Matsuyama sehen, da diese zu den besterhaltensten und interessantesten Schlössern Japans zählt. Nach gefühlt zweistündiger Parkplatzsuche und Seilbahnfahrt gab es auch hier noch einen Aufstieg durch etliche Tore und Verteidigungsringe, bevor wir der wirklich hübschen Burg gegenüberstanden. Auch die Ausstellung im Inneren mit Samurairüstungen, Schwertern und Dokumenten war sehr sehenswert, und in einem der Vorbauten konnten wir sogar eine echte japanische Trommel („Taiko“) ausprobieren.

It's Taiko time!

Als letzte Etappe unseres Ausflugs stand noch das Iya-Tal mit seinen Lianenbrücken bevor, dass mitten im Wald mehr oder weniger außerhalb der Zivilisation liegt. Nach etlichen Stunden Autofahrt und unzähligen einspurigen Serpentinen kamen wir bei Einbruch der Dämmerung an der Kazura-Hängebrücke an, die natürlich schon geschlossen war – was abenteuerlustige Austauschstudenten, die dafür stundenlang durch den Wald gegurgt sind, aber nicht aufhält ^-^
Da ich ziemliche Höhenangst habe war es wahrscheinlich gar nicht so schlecht, dass ich in der einsetzenden Dunkelheit nicht mehr so genau gesehen habe, wie tief 13 m runtergehen... Eine Hängebrücke aus Lianen ist dann doch eine wacklige Gelegenheit, es war allerdings gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Mutige Studentinnen auf der Hängebrücke
Der Heimweg gestaltete sich dann auch noch als echter Krimi: Als wir losfuhren bemerkten wir plötzlich, dass es besser gewesen wäre, VOR dem Verlassen der Zivilisation zu tanken – unser Tank war schon auf Reserve, und wir waren mitten im Nirgendwo! Ich saß wirklich auf Kohlen, denn ich hatte am folgenden Tag um 10 Uhr früh meinen Progress Report im Labor zu halten und konnte es mir nicht leisten, irgendwo im Wald von Shikoku hunderte Kilometer entfernt mit dem Auto liegenzubleiben. Und dummerweise vertrug ich auf dem Rückweg die unendlichen Serpentinen deutlich schlechter als auf dem Hinweg, sodass ich mich nur die mehrmalige Erkenntnis, dass im Nirgendwo Tankstellen Sonntagabend um 19 Uhr natürlich geschlossen sind, mit einem Adrenalinschub aus meinem Delirium zurückholen konnte. Nach ca. 40 km (die unser tapferer kleiner Tank wie durch ein Wunder durchhielt) kam dann endlich eine geöffnete Tankstelle, und wir jubelten wie wild vor Erleichterung, dass wir es geschafft hatten. Der Rest der Heimfahrt verlief dann zum Glück unspektakulär, wir schliefen die meisten Zeit und kamen um kurz nach Mitternacht in unserem Wohnheim an – erschöpft, aber glücklich und bereichert durch unserem 800 km-Wochenendausflug. Ende gut, alles gut.


Die beleuchtete Kazura-Lianenbrücke bei Dämmerung

Mittwoch, 4. März 2015

Winter in Osaka


...das aber auch...
Das ist der Winter in Osaka...




















Auch wenn er schon (hoffentlich) bald um ist, möchte ich noch ein paar Worte zum Winter in Osaka verlieren. Der ist nämlich anders als in Deutschland. Und er geht mir tierisch auf den Keks...
Wenn man sich einfach nur die Temperaturen ansieht, kann man nicht verstehen, was ich meine. Ich glaube, seit ich in Osaka bin gab es kein einziges Mal Minusgrade, und obwohl die Durschnittstemperatur von Dezember bis Februar bei 5-10 Grad und damit deutlich über der in z.B. München liegt, fühlt es sich deutlich kälter an. Zum Einen liegt es wahrscheinlich an der höheren Luftfeuchtigkeit, zum Anderen daran, dass man der Kälte einfach nicht entkommen kann. Die Sache mit der Kälte in Osaka (und wahrscheinlich auch den meisten anderen Teilen Japans) ist ein bisschen wie bei Hase und Igel: Egal wo man hinkommt, die Kälte ist schon da. Dazu eine kurze Erlebniserzählung aus meinem Alltag:

...und das hier ebenso...
Ich wache früh auf – mein Zimmer ist kalt (ca. 12 Grad). Ich gehe durch den Flur ans Waschbecken – es ist kalt. Ich drehe den Wasserhahn auf – das Wasser ist eiskalt. Ich gehe ins Bad – es ist kalt. Ich gehe in die Küche, um mir mein Frühstück zu machen – es ist kalt. Ich fahre mit dem Fahrrad in die Uni – es ist kalt. Ich betrete das Gebäude – es ist kalt. Und so geht das den ganzen Tag lang. Nur einzelne Räume sind beheizt, ansonsten gilt die Faustregel „Zimmertemperatur = Außentemperatur + maximal 5°C“. Und wenn geheizt wird, dann nicht mit Heizung, bei der sich die Wärme schön gleichmäßig und langfristig im Zimmer verteilt, sondern mit zum Warmluftgebläse umfunktionierter Klimaanlage knapp unter der Decke, die eigentlich für Abkühlung im schwülheißen japanischen Sommer gedacht ist. Wenn ich das Gebläse für nur eine halbe Stunde ausschalte, wird mir trotz Pulli und dicken Socken sofort wieder kalt. Als ich es einmal für den mittwochabendlichen Japanischkurs ausgeschaltet hatte, ist meine Zimmertemperatur in nur 1.5 Stunden um 6 Grad gefallen! 

...ja, auch das...
Und weil warme Luft bekanntlich nach oben steigt, gibt es in meinem Zimmer ein Temperaturgefälle von ca. 10 Grad zwischen Decke und Fußboden (nochmal Danke an dieser Stelle an meine Eltern für die warmen Socken). Da wäre ein Hochbett eigentlich praktisch – hab ich aber leider nicht. Wenigstens die Dusche hat Heißwasser (im Gegensatz zum bereits erwähnten Waschbecken), kennt aber leider nur die Einstellungen „Gletscherbach“ und „Höllenquelle“, und auch wenn man den Griff um nur 1 mm dreht, schaltet sie von 10 auf 50 Grad in ca. 2 Sekunden – eigentlich der Ferrari unter den Duschen, aber 30°C wären mir trotzdem lieber... Zum Glück sind ebenso die Toilettensitze in meinem Wohnheim beheizt, und auch wenn die meisten Leute darüber lachen oder Unverständnis zeigen: Wer sich schon mal in einem ca. 10°C kalten Bad auf eine mindestens genauso kalte Toilette gesetzt hat, versteht diese Erfindung. In Deutschland bzw. wahrscheinlich Gesamteuropa heizen wir eben stattdessen den gesamten Raum, da ist die Sitzheizung nicht mehr notwendig.
...und sogar das!
Schnee gibt es in Osaka relativ selten. Wir hatten diesen Winter zwar 2-3 kurze Schneestürme, aber bis auf den Neujahrstag (siehe Bilder vom benachbarten Kyoto) ist er vielleicht gerade 1 Stunde lang liegen geblieben. Dafür sieht man erstaunlich viele blühende Pflanzen im Dezember und Januar, and ab Ende Februar blüht die Pflaume hier wunderschön in weiß und pink (Bilder folgen).  
Die Japaner scheint der Winter übrigens nicht sonderlich zu interessieren. Die Mädels ziehen Overknees zu ihren Hotpants und Miniröcken an, und die Schülerinnen dürfen nicht mal Strumpfhosen unter ihrem nur knielangen Rock tragen – schein ihnen aber auch wenig auszumachen. Meist haben sie nicht mal eine warme Jacke über ihrem Blazer, und der ist wahrscheinlich sogar das einzige, was die Winteruniform von der Sommeruniform unterscheidet. In solchen Momenten denke ich mir immer: Wie gut, dass ich hier nur Gast bin...

P.S.: Die Bilder wurden wirklich alle an wenigen Dezember- bzw. Januartagen hintereinander, manche auch am selben Tag geschossen - kein Witz!