Momentan
blüht die Pflaume in Osaka, die stets etwas früher dran ist und länger anhält
als die deutlich berühmtere Kirschblüte. Daher war ich vor zwei Wochen mit
meiner „Gastmutter“, eine Japanerin von meinem „Let’s Talk in Japanese“-Kurs im
Bampakukinenkouen, einen riesigen Park bei mir in der Nähe. Dort gibt es
unzählige verschiedene Arten von Pflaumenbäumen (die ich allerdings nicht
auseinanderhalten kann), die in Weiß, Rosa und dunklem Pink blühen und alle schön auf zwei dafür angelegten Flächen
gruppiert sind, was den Effekt deutlich vergrößert. Die Angewohnheit, nicht nur
Blumen, sondern auch Bäume nach Sorten gruppiert zu pflanzen, ist meines
Wissens in Japan sehr verbreitet und beschert während der Pflaumen- und Kirschblüte
wunderschöne Blütenmeere – was wahrscheinlich genau der Zweck dahinter ist. Es
war jedenfalls gutes Wetter und die Hölle los, was ich nicht erwartet hätte. In
Deutschland bekommt man an einem Sonntagnachmittag sicher kaum jemanden vom
Sofa, nur um sich einen blühenden Baum anzuschauen, aber die Japaner sind mit
Begeisterung dabei. Da wird bestaunt, geschnuppert, 10.000 Fotos gemacht, die
Picknickdecke ausgebreitet und der Kinderwagen durch die unzugänglichsten Passagen
geschoben, um seinen Anteil an der blühenden Pracht zu haben.
Samstag, 21. März 2015
Pflaumenbaumschau
Donnerstag, 12. März 2015
5 Mädels & 1 Auto -> Ab nach Shikoku!
| Nur ein Teil der 785 Stufen... |
Wir
waren mit unserem Zeitplan schon etwas hinterher, da man auf Landstraßen in
Japan generell nur 60 km/h, auf Autobahnen nur 100 km/h (und sogar dass nicht
immer) fahren darf, sodass wir nach einem kurzen Udonsuppen-Mittagessen erst um
ca. 15 Uhr zu unserem nächsten Halt aufbrechen konnten, dem Kompira-Tempel in
Kotohira mit seinen 785 Treppenstufen. Denn auf Shikoku gibt es 88 Tempel, die
zum dortigen berühmten Pilgerweg gehören. Unser Navi lotste uns durch
abenteuerlich enge Gassen, doch wir kamen schließlich noch vor Einbruch der
Dunkelheit an, fanden sogar einen Parkplatz ganz in der Nähe und machten uns an
den Aufstieg. Der Weg war gar nicht so beschwerlich, wie wir vermutet hatten,
da es sich nicht um eine einzige lange Treppe handelte, sondern um kleinere
Teiltreppen mit Zwischenebenen, auf denen es immer wieder kleinere Tempel,
Schreine etc. zu sehen gab, sodass man die 785 Stufen nicht an einem Stück
erklimmen musste. Als wir ganz oben ankamen, dämmerte es gerade, und wir hatten
sowohl einen tollen Ausblick auf die Umgebung als auch einen wunderschön
beleuchteten Tempel vor uns liegen.
| Das traditionelle Dogo-Onsen |
Nach
dem Abstieg im Dunkeln ging es noch ca. 150 km weiter nach Matsuyama, wo wir in
einem Hostel in der Nähe des berühmten Dogo-Onsens unterkamen. Da es schon fast
Mitternacht war, konnten wir uns zum Abendessen nur ein paar Snacks im Conbini
mitnehmen (und waren ziemlich froh, dass es diese 24 Stunden-Läden in Japan
gibt), bevor wir todmüde ins Bett fielen. Leider mussten wir zum Autoumparken
schon um 7 Uhr früh wieder aufstehen, sind dann aber zur Entspannung für eine
Stunde ins Dogo-Onsen. Ich war mittlerweile ja schon oft im Onsen und dachte
ich kenne die Regeln, aber die (hauptsächlich alten) Japanerinnen waren so
biestig zu uns, weil wir angeblich einiges falsch machten, dass wir eigentlich
froh waren, dass wir bald wieder gehen konnten. Das Bad war ganz anders als ich
es mir vorgestellt hatte; anstatt einer weitläufigen Anlage mit vielen
verschiedenen Becken innen und außen gab es ohne Super-Deluxe-Megateuer-Sonderticket
nur ein einziges kleines Becken, in dem man baden konnte. Das besondere an dem Bad
ist meines Wissens, dass es schon seit ca. 120 Jahren unverändert besteht und
das schwefelhaltige Wasser aus einer echten heißen Quelle verwendet wird, dem
besondere „Heilkräfte“ für die Gesundheit zugeschrieben werden.
| Die Matsuyama-Burg |
Nachdem
das berühmte Onsen abgeklappert war, wollten wir noch die ebenfalls berühmte
Burg von Matsuyama sehen, da diese zu den besterhaltensten und interessantesten
Schlössern Japans zählt. Nach gefühlt zweistündiger Parkplatzsuche und
Seilbahnfahrt gab es auch hier noch einen Aufstieg durch etliche Tore und
Verteidigungsringe, bevor wir der wirklich hübschen Burg gegenüberstanden. Auch
die Ausstellung im Inneren mit Samurairüstungen, Schwertern und Dokumenten war
sehr sehenswert, und in einem der Vorbauten konnten wir sogar eine echte
japanische Trommel („Taiko“) ausprobieren.
| It's Taiko time! |
Als
letzte Etappe unseres Ausflugs stand noch das Iya-Tal mit seinen Lianenbrücken
bevor, dass mitten im Wald mehr oder weniger außerhalb der Zivilisation liegt.
Nach etlichen Stunden Autofahrt und unzähligen einspurigen Serpentinen kamen
wir bei Einbruch der Dämmerung an der Kazura-Hängebrücke an, die natürlich
schon geschlossen war – was abenteuerlustige Austauschstudenten, die dafür
stundenlang durch den Wald gegurgt sind, aber nicht aufhält ^-^
Da
ich ziemliche Höhenangst habe war es wahrscheinlich gar nicht so schlecht, dass
ich in der einsetzenden Dunkelheit nicht mehr so genau gesehen habe, wie tief
13 m runtergehen... Eine Hängebrücke aus Lianen ist dann doch eine wacklige
Gelegenheit, es war allerdings gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt
hatte.
| Mutige Studentinnen auf der Hängebrücke |
Der
Heimweg gestaltete sich dann auch noch als echter Krimi: Als wir losfuhren
bemerkten wir plötzlich, dass es besser gewesen wäre, VOR dem Verlassen der
Zivilisation zu tanken – unser Tank war schon auf Reserve, und wir waren mitten
im Nirgendwo! Ich saß wirklich auf Kohlen, denn ich hatte am folgenden Tag um
10 Uhr früh meinen Progress Report im Labor zu halten und konnte es mir nicht
leisten, irgendwo im Wald von Shikoku hunderte Kilometer entfernt mit dem Auto
liegenzubleiben. Und dummerweise vertrug ich auf dem Rückweg die unendlichen
Serpentinen deutlich schlechter als auf dem Hinweg, sodass ich mich nur die
mehrmalige Erkenntnis, dass im Nirgendwo Tankstellen Sonntagabend um 19 Uhr natürlich
geschlossen sind, mit einem Adrenalinschub aus meinem Delirium zurückholen
konnte. Nach ca. 40 km (die unser tapferer kleiner Tank wie durch ein Wunder
durchhielt) kam dann endlich eine geöffnete Tankstelle, und wir jubelten wie
wild vor Erleichterung, dass wir es geschafft hatten. Der Rest der Heimfahrt
verlief dann zum Glück unspektakulär, wir schliefen die meisten Zeit und kamen
um kurz nach Mitternacht in unserem Wohnheim an – erschöpft, aber glücklich und
bereichert durch unserem 800 km-Wochenendausflug. Ende gut, alles gut.
| Die beleuchtete Kazura-Lianenbrücke bei Dämmerung |
Mittwoch, 4. März 2015
Winter in Osaka
| ...das aber auch... |
| Das ist der Winter in Osaka... |
Auch
wenn er schon (hoffentlich) bald um ist, möchte ich noch ein paar Worte zum
Winter in Osaka verlieren. Der ist nämlich anders als in Deutschland. Und er
geht mir tierisch auf den Keks...
Wenn
man sich einfach nur die Temperaturen ansieht, kann man nicht verstehen, was
ich meine. Ich glaube, seit ich in Osaka bin gab es kein einziges Mal Minusgrade,
und obwohl die Durschnittstemperatur von Dezember bis Februar bei 5-10 Grad und
damit deutlich über der in z.B. München liegt, fühlt es sich deutlich kälter
an. Zum Einen liegt es wahrscheinlich an der höheren Luftfeuchtigkeit, zum
Anderen daran, dass man der Kälte einfach nicht entkommen kann. Die Sache mit
der Kälte in Osaka (und wahrscheinlich auch den meisten anderen Teilen Japans)
ist ein bisschen wie bei Hase und Igel: Egal wo man hinkommt, die Kälte ist
schon da. Dazu eine kurze Erlebniserzählung aus meinem Alltag:
| ...und das hier ebenso... |
Ich
wache früh auf – mein Zimmer ist kalt (ca. 12 Grad). Ich gehe durch den Flur
ans Waschbecken – es ist kalt. Ich drehe den Wasserhahn auf – das Wasser ist
eiskalt. Ich gehe ins Bad – es ist kalt. Ich gehe in die Küche, um mir mein
Frühstück zu machen – es ist kalt. Ich fahre mit dem Fahrrad in die Uni – es
ist kalt. Ich betrete das Gebäude – es ist kalt. Und so geht das den ganzen Tag
lang. Nur einzelne Räume sind beheizt, ansonsten gilt die Faustregel
„Zimmertemperatur = Außentemperatur + maximal 5°C“. Und wenn geheizt wird, dann
nicht mit Heizung, bei der sich die Wärme schön gleichmäßig und langfristig im
Zimmer verteilt, sondern mit zum Warmluftgebläse umfunktionierter Klimaanlage
knapp unter der Decke, die eigentlich für Abkühlung im schwülheißen japanischen
Sommer gedacht ist. Wenn ich das Gebläse für nur eine halbe Stunde ausschalte,
wird mir trotz Pulli und dicken Socken sofort wieder kalt. Als ich es einmal
für den mittwochabendlichen Japanischkurs ausgeschaltet hatte, ist meine
Zimmertemperatur in nur 1.5 Stunden um 6 Grad gefallen!
| ...ja, auch das... |
Und
weil warme Luft bekanntlich nach oben steigt, gibt es in meinem Zimmer ein
Temperaturgefälle von ca. 10 Grad zwischen Decke und Fußboden (nochmal Danke an
dieser Stelle an meine Eltern für die warmen Socken). Da wäre ein Hochbett
eigentlich praktisch – hab ich aber leider nicht. Wenigstens die Dusche hat
Heißwasser (im Gegensatz zum bereits erwähnten Waschbecken), kennt aber leider
nur die Einstellungen „Gletscherbach“ und „Höllenquelle“, und auch wenn man den
Griff um nur 1 mm dreht, schaltet sie von 10 auf 50 Grad in ca. 2 Sekunden –
eigentlich der Ferrari unter den Duschen, aber 30°C wären mir trotzdem lieber...
Zum Glück sind ebenso die Toilettensitze in meinem Wohnheim beheizt, und auch
wenn die meisten Leute darüber lachen oder Unverständnis zeigen: Wer sich schon
mal in einem ca. 10°C kalten Bad auf eine mindestens genauso kalte Toilette
gesetzt hat, versteht diese Erfindung. In Deutschland bzw. wahrscheinlich
Gesamteuropa heizen wir eben stattdessen den gesamten Raum, da ist die
Sitzheizung nicht mehr notwendig.
| ...und sogar das! |
Schnee
gibt es in Osaka relativ selten. Wir hatten diesen Winter zwar 2-3 kurze
Schneestürme, aber bis auf den Neujahrstag (siehe Bilder vom benachbarten
Kyoto) ist er vielleicht gerade 1 Stunde lang liegen geblieben. Dafür
sieht man erstaunlich viele blühende Pflanzen im Dezember und Januar, and ab
Ende Februar blüht die Pflaume hier wunderschön in weiß und pink (Bilder
folgen).
Die
Japaner scheint der Winter übrigens nicht sonderlich zu interessieren. Die
Mädels ziehen Overknees zu ihren Hotpants und Miniröcken an, und die
Schülerinnen dürfen nicht mal Strumpfhosen unter ihrem nur knielangen Rock tragen
– schein ihnen aber auch wenig auszumachen. Meist haben sie nicht mal eine
warme Jacke über ihrem Blazer, und der ist wahrscheinlich sogar das einzige,
was die Winteruniform von der Sommeruniform unterscheidet. In solchen Momenten
denke ich mir immer: Wie gut, dass ich hier nur Gast bin...
P.S.: Die Bilder wurden wirklich alle an wenigen Dezember- bzw. Januartagen hintereinander, manche auch am selben Tag geschossen - kein Witz!
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